Tipps für den Alltag mit einem hochsensiblen Kind
Für Eltern und Bezugspersonen von Kindergarten- und Primarschulkindern (Grundschule)
...wobei viele Tipps auch für jüngere oder ältere Kinder (ev. leicht angepasst) gebraucht werden können.
Dieses Kapitel beruht auf einem Vortrag der Website-Autorin M. Schauwecker - "Ist ihr Kind hochsensibel?" (ab 2011) - und ist das dritte Kapitel in einer Serie von fünf Kapiteln.
Nebst eigenem Wissen und Erfahrungen sind in dieses Kapitel auch Tipps aus dem Standardwerk der HS-Pionierin Elaine N. Aron integriert: "Das hochsensible Kind", mvgVerlag.
Inhalt:
- Einführende Hinweise zu den "Tipps"
- Wichtige Lernziele
- Überreizung/Überstimulation
- Abgrenzung
- Gespräche, Kommunikation
- Kontakte, Freundschaften
- Literatur: Such-Tipp
- Fallbeispiele
Einführende Hinweise zu den Tipps
Es macht Sinn, zuerst das Einleitungs-Kapitel "Das hochensible Kind" zu lesen, um ein grundsätzliches Verständnis für das Wesen eines speziell empfindsamen Kindes zu entwickeln. "Tipps" können nur fruchten, wenn dieses Verständnis fundiert ist und man sich mit den Wesenszügen seines Kindes wirklich auseinander gesetzt hat.
Tipps entfalten auch nur dann eine positive Wirkung, wenn sie einem wirklich einleuchten. Wenden Sie also einen Rat nicht halbherzig oder gutgläubig an, sondern wandeln Sie ihn auf Ihre ganz persönliche Art von der Theorie in die Praxis um.
Beachten Sie auch folgenden Hinweis:
Diese Website enthält generell viele Inhalte und Tipps für hochsensible Menschen. Es ist für Bezugspersonen eines hochsensiblen Kindes empfehlenswert, auch in anderen Kapiteln über das Thema nachzulesen, speziell in der Rubrik "DER HOCHSENSIBLE MENSCH" (Kurztitel "hochsensibel").
Hier ein paar Tipps für Kapitel als Beispiele. Schauen Sie auch in anderen Kapiteln nach...
- Das Kapitel "Abgrenzung" - ein speziell wichtiges Thema für Hochsensible - bezieht sich teilweise explizit auf Kinder.
- Das Kapitel "Reiz, Stimulation" berichtet grundlegend über die Tendenz zur Überreizung von hochsensiblen Menschen (zum besseren Verständnis des hochsensiblen Kindes).
- Das Kapitel "Schutz und Geborgenheit" bezieht sich auch auf das hochsensible Kind.
- Falls Ihr Kind Mühe hat mit Entscheidungen, können Sie im Kapitel "Wie soll ich mich bloss entscheiden?" nachlesen, was die Gründe für diese Schwäche sein könnten.
- Die "Praktischen Tipps" und die Tipps für "Zentrierung und Erdung" können teilweise direkt für Kinder gebraucht werden. Manchmal muss man sie für die Tochter oder den Sohn auf kindgerechte Art etwas abändern.
Und bitte nicht vergessen:
- Ihr Befinden als Eltern und Bezugspersonen ist genauso wichtig wie das Ihrer Kinder! Holen Sie sich Hilfe, lassen Sie sich unterstützen, wenn Sie sich überfordert, gestresst oder unglücklich fühlen. Siehe zum Thema "Hilfe holen" das Kapitel über Babys und Kleinkinder.
- Hochsensibilität ist grundsätzlich keine Krankheit! Viele hochsensible Kinder entwickeln sich ohne besondere Schwierigkeiten und brauchen nur manchmal etwas mehr Starthilfe oder Unterstützung in einer häufig unsensiblen Welt. Wenn sie ihr Potenzial erkennen und entfalten dürfen, können sich hochsensible Kinder wunderbar entwickeln und zur Freude für ihre Umwelt werden. Lesen Sie dazu das Kapitel: "Hochsensibilität ist keine Krankheit".
Haben auch Sie bewährte Tipps...
...aus dem Alltag mit Ihrem hochsensiblen Kind? Sie sind herzlich eingeladen, Ihre eigenen Tipps und Erfahrungen beizutragen und damit andere Eltern zu unterstützen.
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Wichtige Lernziele
- Selbstkontrolle: Je älter ein Kind wird, desto fähiger sollte es mit wachsendem Alter werden, seine Emotionen, sein Verhalten und auch seine Impulse etc. selber zu steuern und zu regulieren. In einem überreizten und überforderten Zustand geht die Fähigkeit zur Selbstkontrolle oft verloren: das Kind ist seinen Reaktionen ausgeliefert. Mit der Zeit sollte ein Kind sich selber Ziele setzen - und mit Schwierigkeiten umgehen können auf dem Weg zu diesen Zielen. Wichtig: Mit "Selbstkontrolle" ist natürlich kein gehemmtes, überkontrolliertes Verhalten gemeint, sondern die befreiende Fähigkeit, eigenen Verhaltensweisen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.
- Selbständigkeit: Ein unsicheres oder überreiztes Kind führt Erwachsene instinktiv dazu, wie bei Kleinkindern die Verantwortung zu übernehmen und über das Kind zu bestimmen, was in Überbehütung ausufern kann. Ein feinfühliges Kind merkt dies und nützt es auch aus, denn Hilfe bekommen ist für viele einfacher, als selber Verantwortung zu übernehmen. Von Anfang an soll die Selbständigkeit eines Kindes angesprochen und gefördert werden, wobei gute Beobachtung wichtig ist, damit ein Kind weder überfordert, noch unterfordert wird. Es hilft ihm für sein Leben weit mehr, wenn es möglichst früh lernt mit seiner Veranlagung gut umzugehen und sie als Gewinn zu sehen. Am besten geht dies mit Ermutigung, Rückfragen und einem grundsäztlichen Vertrauen ins Kind. Bitte vermeiden sie möglichst den "erhobenen Zeigefinger", Vergleiche mit anderen Kindern oder gar demütigende Blossstellung.
- Fähigkeit zur Problemlösung: Bieten Sie dem Kind in einer problematischen Situation nicht sofort Vorschläge an, sondern üben Sie mit ihm immer wieder, wie es eigene Wege finden kann. Fokussieren Sie gemeinsam auf die Lösung eines Problems - und nicht ständig auf das Kind selber! Die Stärken des Kindes sollen immer mit angeprochen werden, dies jedoch auf realistische Weise. Das Idealisieren eines Kindes ist genauso wenig sinnvoll wie ein ständiger Fokus auf seine Schwächen. Grundlegend wichtig ist, dass das Kind sich akzeptiert fühlt und nicht das Gefühl entwickelt, "nicht richtig" zu sein. Wachsende Selbständigkeit im Problemlösen muss natürlich dem Alter des Kindes angepasst sein, damit Überforderungen vermieden werden können. (Siehe ganz unten das Fallbeispiel "Selbständigkeit".)
- "Selfmanagement": Viele hochsensible Kinder können sich von Anfang an gut selber organisieren. Diejenigen, die damit Mühe haben, brauchen zu Beginn Unterstützung - z.B. für eine sorgfältige Planung des nächsten Tages. Dies kann zum Beispiel Teil eines gemütlichen Abendrituals sein und das gute Gefühl vemitteln, zu wissen, was auf einen zukommt. Lassen Sie das Kind mit wachsendem Alter möglichst viel selber entscheiden. Wenn nötig, können Sie dabei Impulse beisteuern: "Der Nachmittag sieht etwas voll aus, - meinst du nicht?..." Auch ein gemeinsamer "Familienplan" ist eine gute Sache, und wichtig dabei ist, dass auch gemütliche Abende und gemeinsame Unternehmungen eingeplant werden. Wenn das Kind müde aus der Schule kommt, ist eine kurze Übersicht über den Rest des Tages ebenfalls von Vorteil: Was möchte das Kind jetzt tun, was braucht es? Was muss es noch erledigen, was hat es noch vor... Abmachungen sollten dann auch wirklich eingehalten werden.
Überreizung/Überstimulation
Jedes Kind gerät hin und wieder durch irgendein "Zuviel" in einen Überreizungszustand hinein: der Unterschied zwischen normalsensiblen und hochsensiblen Kindern ist ein gradueller: auch normalsensible Kinder können überreizt sein. Bei hochsensiblen Kindern liegt die Reizschwelle jedoch tiefer: sie nehmen die Welt intensiver wahr, und sie haben zusätzlich die Tendenz, das Wahrgenommene tiefer und detaillierter verarbeiten zu wollen.
So sind sie schneller überfordert und - kurz ausgedrückt - "nicht mehr bei sich". Es kann dann so sein, als ob bei einem Motor die Bremsen nicht mehr funktionieren würden, was sich individuell auf verschiedene Arten äussern kann (vergleiche "hypo" und "hyper" im Einführungskapitel über hochsensible Kinder).
Wir müssen uns auch bewusst sein, dass die heutige Zeit mit TV, Gameboys, Videospielen, Smartphones, Computern etc. generell einen höheren Stresspegel aufweist als es früher der Fall war. Wenn man z.B. nur schon an die TV-Werbung mit Filmvorschauen denkt: in Sekunden zerhackt folgen da Bild auf Bild, Ton auf Ton, Eindruck auf Eindruck... Vielleicht kennen Sie den Trickfilm über "Nemo", den kleinen Fisch: ein Drittel aller Spannungsmomente und Reize in diesem Film hätte schon genügt, um aus "Nemo" einen immer noch sehr spannenden Film zu machen...
- Prävention von Überreizung: Je älter das Kind wird, desto besser lernt es selber wahrzunehmen, wenn etwas zuviel wird und was es als Soforthilfe einsetzen könnte. Wir können es z.B. aufmerksam machen darauf: "Merkst du, - jetzt beginnt es wieder mit dem Stress, was könntest du jetzt dagegen unternehmen?" Das Kind soll auch lernen, auf seinen Körper zu achten, z.B. zu merken, wann es müde ist oder Hunger hat (in überreizten Situationen gehen solche wichtigen Fähigkeiten oft verloren). Bei Änderungen im Leben oder wichtigen Events sind eine sorgfältige vorgängige Planung und Klärung der Situation besonders wichtig.
- Wenn nötig klare Grenzen: Ist das Kind bereits in einem überstimulierten Zustand, kann es zum Beispiel "nicht mehr aufhören", lässt es sich immer weiter mitreissen, ist es verschwitzt, aufgeregt, kann es sich nicht mehr beruhigen - oder zeigt es sich mutlos und verzweifelt, quengelt und jammert es nonstop... dann helfen Zureden, Diskussionen und Ratschläge oft nichts mehr. Darum: Nicht lange reden, erklären, diskutieren, dem Kind auch keine Wahlmöglichkeiten mehr zeigen (das überreizt es nur noch mehr): Bieten Sie ihm altersgemässe klare Grenzen, Rituale, Signale und Strukturen: leiten sie das überreizte Kind ruhig und klar an, - die Befolgung der Anweisungen soll konsequent durchgesetzt werden. "Grenzen" haben effektiv viel mit Konsequenz zu tun - und nicht mit Vorwürfen, Drohungen oder Schimpfen. Haben Sie selber Mühe mit Grenzen und Konsequenz, holen Sie sich Unterstützung, Beratung oder Hilfe.
- "Mit der Energie gehen": Als Bezugspersonen stellen wir uns oft aus Vernunftsgründen "gegen die Energie", die gerade vom Kind ausgeht (z.B. nervöses Herumhaspeln, nicht "runtekommen" können...): Versuchen Sie einmal, aus der Sicht des Kindes nicht in die Rolle des Spielverderbers zu gehen, sondern die vorhandene überreizte Energie zuerst einmal aufzunehmen, mit anderen Worten: auf Ihre Art kurz mitzugehen mit dem, was ist - und dann sukzessive langsamer, ruhiger zu werden und das Kind quasi ins Ruhigerwerden mit hinein zu nehmen, - es abzulenken, es z.B. zu einem Glas Saft einzuladen oder zu einem Spaziergang, wo die Gelegenheit zu einem ruhigen Gespräch dann eher vorhanden ist und man gemeinsam zur Ruhe kommen kann.
Um ein Bild zu verwenden: Ein rasch drehendes Karussell zu stoppen, braucht sehr viel Energie: es ist einfacher, auf das Karussell aufzuspringen, ganz langsam zu bremsen beginnen - und wenn das "Drehen" aufhört, zu einer beruhigenden Tätigkeit überzugehen.
- Rückzugsort: Auch bei grösseren Kindern ist der eigene Rückzugsort sehr wichtig (besonders in ohnehin intensiven oder stressigen Zeiten oder wenn das Kind selber nicht in der Lage dazu ist). Das eine liest gerne, das andere kommt durch Zeichnen wieder "auf den Boden", - jedes Kind merkt mit der Zeit selber, was es zur Beruhigung braucht. (siehe zuunterst Fallbeispiele: "Rückzugsort" und unter Praktische Tipps). Auch wenn Geschwister sich ein Zimmer teilen, ist es wichtig, dass jedes irgendwo eine private Ecke ganz für sich alleine hat.
- Schlaf, Ernährung, Wetterfühligkeit, Elektrosmog etc.: Betrachten Sie bei einem Kind, das häufig überreizt reagiert oder vielleicht Schlafstörungen, körperliche Empfindlichkeitsreaktionen etc. hat, auch immer die äusseren Umstände: nicht alle Reaktionsweisen sind im Wesen des Kindes begründet. Manchmal äusserst sich Hochsensibilität auch in körperlichen Überempfindlichkeiten, Allergien oder sonstigen Reaktionen, die auf Einflüssen der Umwelt beruhen könnten.
- Geduld: Die spezielle Wahrnehmung eines hochsensiblen Kindes hat zur Folge, dass es mehr gefordert wird als ein normalsensibles Kind: die HS-Pionierin Elaine Aron drückte dies einmal folgendermassen aus: es ist als hätte die Natur den Hochsensiblen einen komplexeren Wahrnehmungs- und Denkapparat verliehen, der auch mehr Zeit braucht, bis er richtig beherrscht werden kann. Hochsensible können ganz generell "Spätzünder" sein, auch später bei der Berufswahl. Mit ihrer Intelligenz hat dies nichts zu tun, - diese ist sogar oft sehr ausgeprägt. Jedoch kann die erwähnte Komplexität zur Folge haben, dass hochsensible Kinder manchmal langsamer sind und grössere Mühe zeigen, wenn sie sich z.B. an neue Situationen anpassen müssen. Üben Sie sich in Geduld: denn Ungeduld seitens der Bezugspersonen fördert die Überreizung beim Kind erst recht, was für alle kontraproduktiv ist.
- Geborgenheit: Viele Kinder können auch gut abschalten, wenn man Ihnen möglichst viel Geborgenheit und Gemütlichkeit anbietet, wenn sie "kuscheln" dürfen oder wenn es etwas zum entspannenden Lachen gibt... Das Bedürfnis nach körperlicher Nähe sollte vom Kind ausgehen, - viele Hochsensible haben ein fein entwickeltes Gefühl für Nähe und Distanz.
- Fokus üben: Überstimulation ist ein Prozess ohne Fokus: die Fülle der wahrgenommenen Einflüsse und Reize führen zu einem überfordernden 'Zuviel'. Daher macht es auch Sinn für hochsensible Kinder, die Fähigkeit des Fokussierens ganz generell zu üben. Z.B. in irgendeiner Kampfsport- oder Bewegungsform, im Ausüben eines Hobbys, im Gestalten oder Pflegen einer Begabung etc.
Abgrenzung
- Hochsensible Wahrnehmung hat von Natur aus wenige Grenzen. Da ein hochsensibles Kind sehr intensiv und vielfältig wahrnimmt, kann es manchmal nicht unterscheiden zwischen "Aussen" und "Innen", z. B. zwischen eigenen und fremden Gefühlen: es muss daher besonders gut lernen, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und sich abzugrenzen: "Wo höre ich auf - wo fängst du an?" Siehe auch Kapitel Abgrenzung!
- Bestätigung von Wahrnehmungen: Hochsensible Kinder spüren auch Unterschwelliges, sie haben meistens eine gut entwickelte Einfühlungskraft (Empathie) und Intuition. Als Bezugspersonen sollten wir uns bemühen, die Wahrnehmungen des Kindes ernst zu nehmen, auch wenn wir vielleicht nicht alles nachvollziehen können. Wenn ein Kind seine Wahrnehmungen immer wieder in Frage gestellt sieht, hört es mit der Zeit auf, an sich und an das, was es sieht, spürt, fühlt und hört, zu glauben: Dies kann fatale Folgen haben: Scham, Unsicherheit, Zurücknahme, Schüchternheit, kein Selbstvertrauen, das Gefühl, "falsch" zu sein... Sprechen Sie mit dem Kind über seine Wahrnehmungen, hören Sie ihm zu, lassen Sie es erzählen, schildern Sie auch Ihre eigenen Wahrnehmungen: Austausch anstelle von "Rechthaben". Zum Thema Abgrenzung gehört also auch, dass ein hochsensibles Kind lernt, auf seine eigene Wahrnehmung zu vertrauen.
- "Nein" sagen: Vor allem für empathische Kinder, die sich gut in andere einfühlen können und ja niemanden zurückweisen wollen, ist es besonders wichtig zu lernen, dass der Mensch das Recht hat, "nein" sagen zu dürfen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben. Es gibt immer mehr Selbstverteidigungskurse für Kinder, in welchen sie lernen können, sich gegen Übergriffe zu wehren und das Recht auf ihre Integrität zu wahren. Geeignet sind zum Beispiel die Kinderkurse bei www.selbstsicherheit.ch oder andere Kampfsport-Kurse (Karate, Aikido etc.) Wie schon weiter oben erwähnt, sind auch andere Tätigkeiten, die vom Kind Konzentration und Fokus verlangen, geeignet, eine gute Abgrenzungsfähigkeit und ein Gefühl für die eigenen Grenzen zu erlernen.
- Ausdruck üben: Die bewusste Verwendung der eigenen Stimme hilft zurückhaltenden Kindern, aus sich heraus zu kommen und für sich einzustehen. So können wir mit Kindern ein klares "Nein" auch einmal bewusst üben, singen, rufen, schauspielern... Vielleicht kennen Sie einen Ort, wo das eigene Echo zu hören ist: es macht Spass, in einen Wald hineinzurufen und sich selber ein paar Sekunden später so kraftvoll zu hören. Fragen Sie vor Ort nach, ob es Schauspielmöglichkeiten für Kinder, einen Kinderchor - oder Bewegungsmöglichkeiten (Tanz, Hip-Hop etc.) gibt.
- Schauen Sie im Kapitel "Praktische Tipps" nach (bitte anklicken), ob Sie hier Tipps finden, die Sie für Ihr Kind brauchen könnten (vielleicht ist eine leichte kindgemässe Anpassung nötig).
Dieser hochsensible Junge, der ein sehr empfindliches Gehör hat, trug während längerer Zeit - sowohl im Haus wie auch draussen, bei Kälte und bei Wärme - diesen Hut, der ihm offensichtlich ein Gefühl des Schutzes verlieh. Auch das ist eine intuitive Form der Abgrenzung, ist doch der Kopf ein wichtiger Ort der Wahrnehmung und besonders verletzlich. Es wäre völlig kontraproduktiv, einem Kind, das selber für sich eine gute Lösung entdeckt hat, zu sagen: "Zieh endlich den Hut aus, es ist doch ganz warm..."
Gespräche, Kommunikation
- Gespräche: Hochsensible Kinder legen viel Gewicht darauf, ernst genommen zu werden. Zum Beispiel nach belastenden Situationen, in welcher manchmal die Worte gegenseitig nicht mehr auf die Goldwaage gelegt werden, ist (altersgemässe) Aufarbeitung bei hochsensiblen Kindern besonders wichtig. Begegnen Sie ihrem Kind wenn möglich "auf Augenhöhe": es schätzt es, wenn es ernst genommen wird und seine Argumente auch darlegen darf.
- Aktives Zuhören, Ich- und Du-Botschaften: Im Kapitel über hochsensible Babys und Kleinkinder wurde bereits über diese Kommunikationsform gesprochen, die natürlich - altersgemäss eingesetzt - weiterhin sehr wertvolle Dienste leisten kann, siehe im genannten Kapitel den Abschnitt "Umgang mit Überreizung: auch beim Kleinkind zentral".
- Familienrat: Vielleicht interessiert Sie das Konzept des Familienrates, das die Gesprächskultur in einer Familie auf wertschätzende Art fördert. Ein wöchentlicher Familienrat bietet der Familie eine Struktur, in welcher Diskutieren und richtiges Zuhören gelernt werden können. Weitere Infos z.B. unter folgendem Link: Familienrat. Ein Familienrat ist auch zu zweit möglich, wenn man alleine mit einem Kind lebt.
- Klarheit und Ehrlichkeit in der Kommunikation: Unklarheit provoziert bei hochsensiblen Kindern Verwirrung und Überreizung, sie spüren, wenn etwas nicht stimmt. Und wenn keine Klärung folgt, nehmen sie schnell einmal die "Schuld" auf sich. Seien Sie ehrlich mit Ihrem Kind: sagen Sie z.B. nicht "es geht mir gut", wenn es Ihnen gar nicht gut geht. Diese sogenannten Doppelbotschaften können ein empfindsames Kind sehr belasten. Natürlich dürfen wir einem Kind nicht unsere sämtlichen Probleme im Detail anvertrauen, aber es soll auf alters- und kindgemässe Art erfahren, dass es Schwierigkeiten im Leben gibt, über welche man ehrlich sprechen kann - und welche meistens gar nichts mit dem Kind selber zu tun haben.
- Über Hochsensibilität informieren: Schon früh kann man mit hochsensiblen Kindern auf altersgemässe Art über ihre hochsensible Veranlagung sprechen. Vor allem wenn sie unter Problemen leiden, die auf ihre hohe Sensibilität zurück zu führen sind, kann so eine Information hilfreich sein. Denn häufig versuchen hochsensible Kinder "gleich zu werden wie die andern" - eine Sackgasse. Ein solcher Anpassungsstress kann Leiden zur Folge haben und dazu führen, dass ein Kind kein Selbstwertgefühl entwickeln kann. Halten Sie Ihrem Kind aber keine "Vorträge", sondern weisen Sie es einfach in passenden Momenten - wenn es zum Beispiel eine überreizte Reaktionsweise zeigt - kurz darauf hin, ohne zu werten. Wenn Sie selber auch hochsensibel sind, "verbünden" Sie sich mit dem Kind: "Siehst du, das sind wiedermal wir beide, - wir erschrecken einfach stärker als die andern..." Und fokussieren Sie nicht bloss auf schwierige Aspekte: Hochsensibilität hat viele wunderbare Seiten. Je älter das Kind ist, desto eher kann man es auch auf ein Buch oder eine Website hinweisen, damit es lernt: "ich bin nicht alleine, ich gehöre zu einer recht grossen Minderheit, die nebst bestimmten Schwierigkeiten auch viele besondere Vorteile und Begabungen hat..."
Kontakte, Freundschaften
Ein grosser Teil der hochsensiblen Kinder braucht mehr Zeit als ihre normalsensiblen Kolleginnen und Kollegen, Freundschaften zu schliessen oder sich in eine neue Gruppe zu integrieren. Die vielen neuen Eindrücke und Reize können ein sehr sensibles Kind schlicht überwältigen. Forschungen zeigen leider auch, dass Hochsensible häufiger als Normalsensible zu Aussenseitern werden können - oder Mobbing erleben müssen.
Um Wiederholungen zu vermeiden: Lesen Sie im Kapitel "Hochsensible Babys und Kleinkinder" nach, was dort über "Veränderungen, erste soziale Kontakte" steht: die Grundgedanken dieses Abschnittes können mit entsprechenden Anpassungen auch auf ältere Kinder übertragen werden.
Siehe auch das 4. Kinder-Kapitel, "Das hochsensible Kind in der Schule".
- Freundschaften: Grundsätzlich können hochsensible Kinder dank ihrer Reflexionsfähigkeit und Differenziertheit hohe soziale Qualitäten zeigen. Sie sind zwar häufig keine "Gruppenmenschen", wenn es auch viele gibt, die mit Gruppen gut zurecht kommen. Von Kindergruppen kann jedoch ein grosses Reizpotenzial ausgehen. (Stellen Sie sich z.B. nur einmal vor wie es tönt, wenn eine Schulklasse in eine Strassenbahn einsteigt...) Die Gesamtausstrahlung einer Gruppe kann vor allem zu Beginn überfordernd und überwältigend auf ein Kind mit überfeinen Antennen wirken. Es dauert vielleicht länger und ist nicht immer einfach, bis so ein Kind seinen Platz in einer Gruppe gefunden hat. Viele empfindsamere Kinder bevorzugen ohnehin eine gute Freundin oder einen guten Freund als 'erste Wahl', wenn es darum geht, Kontakte zu finden. Bei kleinen Kindern ist es noch möglich, Kinder bewusst zusammen zu führen - in der Hoffnung, dass sich Freundschaften entwickeln. Werden die Kinder älter, ist von Bezugspersonen Zurückhaltung gefordert, denn gute Kontakte und echte Freundschaften lassen sich nun einmal nicht erzwingen, auch wenn wir als Mutter und Vater uns vielleicht Sorgen machen: "Sie ist so oft alleine...." Oder: "Er würde ja so gut zu X. passen, warum treffen sich die beiden nie..." Das Geheimnis echter Anziehung in Freundschaften kann nicht erzwungen werden.
- Kontaktprobleme: Hat Ihr Kind Mühe, Freunde zu finden, beobachten Sie zuerst sorgfältig, ob es überhaupt darunter leidet. Es gibt z.B. bei Schulanfängern viele Hochempfindliche, die so mit der neuen Situation beschäftigt sind, dass sie anfänglich eine gewisse Rückzugstendenz brauchen, um klar zu kommen mit all den neuen Eindrücken. Dann gibt es auch Kinder, denen der eigene innere Reichtum oft genügt und die gar nicht so viel Kontakt suchen. Wenn sich das Kind jedoch isoliert fühlt und offensichtlich darunter leidet, braucht es eine altersadäquate Unterstützung, ganz besonders, wenn es negative Erfahrungen (von Ausgeschlossenwerden bis zu Mobbing) macht. Dauern solche Erfahrungen an, kann sich dies traumatisch auf ein sensibles Kind auswirken. "Tipps" sind hier nicht einfach zu geben, - sie sind abhängig vom Alter des Kindes und seinen Bedüfnissen, darum variieren sie von Kind zu Kind und von Situation zu Situation. Ein erster Schritt wird sicher sein, dass Sie das Gespräch mit Betroffenen und Bezugspersonen suchen. Zeigen Sie Ihrem Kind deutlich, dass Sie da sind zu seiner Unterstützung, falls es Sie braucht. Wenn eine negative Situation eskaliert (z.B. Mobbing), warten Sie nicht lange zu, greifen Sie ein und stehen Sie Ihrem Kind bei, damit es in seiner Not nicht alleine ist.
- Rückzug: Hochsensible brauchen immer mal wieder Phasen des Rückzugs, um zu regenerieren und die vielen Eindrücke des Lebens zu "verdauen". Sollte Ihr Kind sich jedoch extrem zurückziehen, z.B. in der Schule kaum mehr sprechen oder sogar aufhören zu sprechen - oder andere schwerwiegende Symptome zeigen, zögern Sie nicht zu lange und suchen Sie Hilfe für das Kind (ev. auch therapeutische).
- Schüchternheit: Hochsensibel sein heisst nicht automatisch schüchtern sein, und Schüchterne sind nicht automatisch hochsensibel. Ob Schüchternheit, diese latente Zurückhaltung gegenüber andern Menschen (oft mit Schamgefühlen oder Peinlichkeit verbunden), vererbt wird, ist wissenschaftlich nicht erwiesen, schrieb der Zürcher Tages-Anzeiger unter dem Titel "Schämt Euch nicht, schüchtern zu sein" (Ulrike Hark, 20.11.2012). Man geht eher von einer frühkindlichen Prägung aus - zum Zeitpunkt, in welchem das Kind beginnt, sich in Mitmenschen einfühlen zu können. Gleichzeitig realisiert es (mit etwa vier Jahren), dass andere es auch wahrnehmen und beurteilen können, was - bei negativen Erfahrungen im sozialen Bereich - Rückzug und eben Schüchternheit zur Folge haben kann. Es muss uns bewusst sein, dass Kinder vor allem im Schulalter durch soziale Erfahrungen stark geprägt werden. Und diese Prägungen haben Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein eines Kindes, u.a. auch auf soziale Ängste. Hochsensible haben wie alle Menschen die Voraussetzungen, scheu zu werden - und sind nach dem bisher Gesagten wahrscheinlich auch anfälliger dafür mit ihren feinen Antennen und der grösseren Verletzlichkeit. Dazu ein Buchhinweis: "Schüchterne Kinder stärken: Wie sie Ängste überwinden, ihre Gaben entdecken und die Persönlichkeit entfalten", Doris Schüler, Amondis Verlag.
- Ängste: Eine überdurchschnittliche Wahrnehmungsfähigkeit kann zu mehr Ängsten führen: Unverstandenes kann Ängste schüren, ebenso unbestätigte Wahrnehmungen oder Doppelbotschaften (siehe oben unter "Gespäche, Kommunikation"). Nehmen Sie die Ängste Ihres Kindes immer ernst: Es gibt einem angstvollen Kind gegenüber keinen unsinnigeren Satz als das landläufige "Du musst doch keine Angst haben!" Er setzt das Kind herunter, anerkennt seine Gefühle nicht und hilft ihm überhaupt nicht weiter. Was ihm hingegen helfen kann, sind Zuhören, Gespräche über Ängste, Erklärungen, Ernstgenommenwerden, Verständnis, Zeit für Sorgen und Ängste. Es wird auf dieser Website später noch ein Extra-Kapitel zum Thema Angst geben. Hier der Hinweis auf einen Artikel im "Spiegel" 41/2010: "Lob der Angst".
- Keine Härtetests: Elaine Aron empfiehlt bei hochsensiblen Kindern in der Erziehung keine Härtetests. Diese Kinder sind mit sanften Erziehungsmethoden besser zu führen und sprechen darauf auch viel eher an. Bedenken Sie, dass "Dünnhäutige" schneller verletzt, schockiert, erschreckt - und auch traumatisiert werden können. Und dies kann eingreifende und bleibende negative Folgen auf das Leben eines Kindes haben. Lesen Sie dazu unter "Hochsensibilität ist keine Krankheit" nach, vor allem den Abschnitt "Schwierige Kindheit und Jugend als Risikofaktor für HSP". Merke: "keine Härtetests" bedeutet noch lange nicht nicht "Verwöhnung". Eine solche ist mit diesen Zeilen natürlich nicht gemeint.
- Kontakt zur Natur: Das Thema Kontakt beschränkt sich nicht nur auf menschliche Kontakte. Natur kann eine Quelle von wunderbaren Kontaktmöglichkeiten sein mit unseren pflanzlichen und tierischen Mitwesen. Verbunden mit Bewegung, Ruhe, Weite, freiem Ausdruck, Sinneserfahrungen, Erforschungen etc. kann sie zum wohltuenden Ausgleich werden zum Leben in (Schul)Zimmern, Städten, Strassen... Regelmässiger Kontakt zur Natur hilft auch hochsensiblen Kindern, dass überreizte Sinne vermehrt wieder zur Ruhe kommen können. Man sagt Kindern, die eine Waldschule besuchen nach, dass sie entspannter, selbständiger und zufriedener seien und in der Natur besser lernen als im Schulzimmer...
- Kontakt zu Tieren: Für die meisten Kinder ist der Kontakt zu einem Tier eine wertvolle Erfahrung. Dies gilt natürlich auch für Hochsensible, für die ein solcher Kontakt in Phasen der Überreizung speziell wohltuend und entspannend sein kann: Ein Haustier verschenkt seine Freundschaft ohne Forderungen und Ansprüche, es ist einfach da...
Dieser hochsensible, extrem introvertierte Junge war sich mit seinem äusserst reichen Innenleben, seiner Phantasie, seinen Hobbies und Ideen oft selbst genug. Seine Wellensittiche waren ihm wichtige Freunde, denen er viel Zeit widmete.
Literatur Such-Tipp
Obwohl ich eigentlich auf dieser Website nicht für Verkaufs-Seiten werben möchte, ist dennoch eine der übersichtlichsten Literaturlisten über Hochsensibilität auf www.amazon.de zu finden:
Wenn Sie dort zur Abteilung "Bücher" gehen und Stichwörter wie "das hochsensible Kind", "hochsensible Kinder", "Hochsensibilität" oder "hochsensibel" eingeben, finden Sie praktisch alles, was zu diesem Thema erschienen ist. Zusätzlich werden die Buchinhalte ausführlich beschrieben, und Kommentare von Lesern helfen, Pro und Kontras abzuschätzen und den Beliebtheitsgrad eines Buches zu erkennen.
Die Buchauswahl erstreckt sich automatisch auch auf verwandte Themen, siehe z.B. das oben erwähnte Buch über Schüchternheit.
Fallbeispiele
(werden noch fortgesetzt!)
HYPER UND HYPO: Sie haben in ihrem Einführungskapitel die Unterscheidung zwischen hochsensiblen "Hyper"- oder "Hypokindern" gemacht, dadurch verstehe ich meine jüngste Tochter jetzt viel besser. Auch die andern zwei Kinder sind hochsensibel, aber mehr "hyper": sie nehmen mit allem immer viel Raum ein. Die jüngste war immer recht pflegeleicht im Verhalten, ein gewissenhaftes, zuverlässiges, liebes Kind. Mühe machte sie uns mehr körperlich, sie bekam als Kleinkind schon Asthma, Neurodermitis und Allergien. Diese Unterscheidung zwischen Hyper und Hypo hat uns geholfen, der Kleinen mehr Beachtung zu schenken, wenn sie so brav und gewissenhaft ihren Weg geht, und nicht nur auf den "Lärm" zu achten, welchen die beiden Grossen manchmal veranstalten. Wir regen sie jetzt viel mehr an, auch ihre Kraft zu gebrauchen und sich gegen ihre Geschwister durchzusetzen. Wir unterstützen auch ihre Hilflosigkeit weniger und regen sie zur Eigenständigkeit an. Sie hat die Tendenz, unselbständig zu sein und bis jetzt haben wir ihr sicher zuviel abgenommen. Erst jetzt sehen wir ein, dass ihr das nicht viel hilft und fragen sie z.B. immer: "wie würdest du das denn machen?" oder "was könnte man tun?"...
SELBSTÄNDIGKEIT: Als ich selber (auch HSP) Mutter von Schulkindern war, wusste ich noch nichts von Hochsensibilität. Ich bemutterte meine Kinder gerne und hatte Angst, sie könnten etwas entbehren oder unter etwas leiden. Wenn sie mich etwas fragten, gab ich immer Lösungsvorschläge und Rat und stand ihnen bei, wenn sie Probleme hatten. Erst als meine Tochter selber Mutter wurde und ich sie mit ihren Kindern beobachten konnte, merkte ich, dass ich damals des Guten zuviel getan hatte und den Kindern zu wenig Raum gelassen hatte, ihre Probleme selber zu lösen. Meine Tochter hat eine sehr schöne Art gefunden, den Kindern zur Selbständigkeit zu verhelfen. Als ihre hochsensible Tochter in der Grundschule war, erwies sie sich als sehr unselbständig und übergewissenhaft. Sie wollte alles perfekt machen und stellte immer unzählige Fragen, ob das richtig und gut sei was sie da mache, und sie jammerte und quengelte oft. "Darf ich das tun? Wie soll ich das machen? Stimmt das so??" usw. Meine Tochter blieb immer freundlich und ruhig, bot aber nie sofort eine Lösung an. Sie fragte immer zuerst zurück, z.B.: "Was meinst du selber dazu?" "Was könnte man da machen?" Oder bei ganz unsinnigen jammernden Fragen sagte sie ganz überzeugt: "Das kannst du". Wenn das Kind hingegen echt nicht weiter wusste, fand es liebevolle Unterstützung. Meine Enkelin hat sich mit dieser "Methode" sehr gut entwickelt und ist heute schon sehr viel selbständiger.
RÜCKZUGSORT: N. hat die Möbel in seinem Zimmer verschoben, so dass sie für sein Bett eine kleine geborgene Nische bilden, wohin er sich immer wortkarg zurück zieht, wenn "das Leben zu wild ist". Rund um das Bett ziehen sich kleine Büchergestelle mit meterlangen Reihen von 'Mangas', und daneben steht sein Zeichnungstisch: Nebst Manga-Lesen bringt ihn Zeichnen am ehesten zurück auf den Boden. Seine Schwester braucht zuerst immer viel Zeit zum Erzählen und jemanden, der gut zuhören kann. Wiederholung ist dabei wichtig. Dadurch kann sie "verdauen", was sie alles erlebt hat - und Lösungen für Probleme finden. Erst dann zieht auch sie sich in ihr Bett zurück und liest.
EHRLICHE KOMMUNIKATION: S, 6-jährig, zeigt plötzliche Verhaltensauffälligkeiten, benimmt sich zum Beispiel im Gegensatz zu früher sehr aggressiv seiner kleinen Schwester gegenüber, ist nervös und unkonzentriert. Später stellt man im Rückblick fest, dass die Verhaltensstörungen gleichzeitig mit der Entdeckung einer Krebskrankheit bei der Mutter begonnen haben: Die Eltern hatten den Kindern die Erkrankung verschwiegen, um sie zu schonen und nicht zu belasten. Erst eine altersgemässe Aufklärung über die Befindlichkeit der Mutter brachte eine Besserung im Verhalten des Jungen.
UNTERDRÜCKTE ÄNGSTE: Die hochsensible A. darf zum ersten Mal mit den Eltern in die Ferien fliegen. Nach der Ankunft am Ferienort hat sie plötzlich fast 40 Grad Fieber, welches am nächsten Tag so schnell wieder verschwindet, wie es gekommen ist. Die Eltern finden dann zufälligerweise heraus, dass die Mutter vor der Reise mit dem Vater einmal über ihre Angst vor Flugzeugabstürzen gesprochen hat - und A. dies - beim Spielen in der Nähe - mitbekommen hat. Während des gesamten langen Fluges hatte A. in der Folge immer mit dem baldigen Absturz des Flugzeug gerechnet.
BERÜHRT SEIN: Der 11-jährige Y. zeigt immer wieder eine grosse Einfühlungskraft gegenüber seinen Mitmenschen und hält es schwer aus, wenn jemand leidet. Seine Mutter beobachtet zudem, dass er auch sehr berührt werden kann durch gefühlsvolle Musik: er weigert sich plötzlich, solche Musik zu hören, schimpft auf "sanfte Songs" und verlegt sich auf "Hard Rock". Die Mutter erkennt, dass Y. auf dem Weg zum Teenager seine Männlichkeit entdeckt und sich deshalb von seiner eigenen weichen Seite abzugrenzen versucht. Die Mutter spricht oft mit ihm darüber, dass "Männer" auch eine weiche Seite haben dürfen.
ANGST VOR DEM SCHWIMMUNTERRICHT: Mein hochsensibler Sohn fürchtete sich vor dem Schwimmunterricht in der Schule, weil er noch nicht schwimmen konnte. Wir erklärten ihm immer, dass der Unterricht dazu sei, schwimmen zu lernen, - aber er steigerte sich immer mehr in diese Sorgen hinein und vermutete, dass "alle andern sicher schon schwimmen können". Um ihn zu entlasten, baten wir eine Lehrerin und gute Schwimmerin in unserer Bekanntschaft, dem Jungen doch das Schwimmen beizubringen: indem wir das Problem aus der Familie heraus genommen und bei einer Drittperson deponiert hatten, löste es sich sehr schnell auf: Jedesmal, wenn S. vom Schwimmen mit dieser Lehrerin zurück kam, wirkte er entspannter, und schliesslich kam er hocherfreut nach Hause: "Ich kann schwimmen!!!" Wir vergessen nie das unglaublich glückliche, entspannte, stolze Gesicht unseres Kindes, er war im "siebten Himmel"!
Sich entfalten dürfen - im eigenen Rhythmus
Letztes Update: 3.7.2021