Ein Lied gegen Stress

Ein Lied gegen Stress und Überreizung: "Setz dich..." und klicke hier (oder hier) oder auf das Bild... (emiltheartist auf Instagram)

mehr

Weihnachtsmusical

Alles über das Kindermusical "Uf nach Bethlehem" und die deutsche Übersetzung "Auf nach Bethlehem"

mehr

Mundartchansons der Website-Autorin

He du, kleiner Spatz - in Schweizer Mundart mit Untertiteln

LINK Youtube
Marianne Schauwecker

mehr


Sensible Männlichkeit


- eine gesundheitsfördernde Kombination

oder ein unvereinbarer Widerspruch in sich?


von Christoph Weinmann, Coach bei Hochsensibilität


Wie kann eine „gesunde und konstruktive Männlichkeit“ aussehen, und zwar in Praxis und Theorie? Diese Frage beschäftigt mich schon mehr als sechs Lebens-Jahrzehnte, sowohl persönlich, beruflich wie auch als Vater erwachsener Söhne. Nachdem ich vor einigen Jahren meine eigene Hochsensibilität erkannt und inzwischen auch schätzen gelernt habe, hat sich mein Blick auf dieses Thema nochmal deutlich verändert. Wie zeigen sich spezifisch männliche Verhaltens- und Reaktionsweisen? Welche dabei sind vollkommen natürlich und angemessen, was hingegen kann als destruktiv und verletzend bezeichnet werden?

Was verstehen wir unter Gesundheit? Sehr vereinfacht können wir Gesundheit beschreiben als das persönliche Wohlergehen, das Wohlgefühl, als eine stimmige Balance im Dreiklang von Körper, Geist und Seele. Aber gerade nicht nur reduziert auf die rein körperliche Ebene, wie es gerne von Männern bevorzugt wird.

Lassen Sie mich diese Unterscheidung mit den Worten von Fabian Reese, einem 26-jährigen Fußball-Profi von Hertha BSC Berlin, beschreiben: Ich zitiere hier Fabian Reese aus einem Interview (vom 30.Nov. 2023 in Zeit-online):

„Wir alle haben einen Ernährungscoach und einen Fitnesstrainer. Aber wenn man einen Mentaltrainer hat, wird schnell gesagt: Okay, der hat einen am Dach oder der ist mental nicht stark genug. Wenn ich zum Beispiel einen Elfer verschießen würde und hätte vorher gesagt, ich habe einen Mentaltrainer, dann würde es heißen, dass ich verschossen hätte, weil ich psychisch nicht stabil genug sei.“  Er versucht auch offensiv in seinem Lebensumfeld „feminine Facetten zu zeigen und dieses toxische Männergetue ein wenig aufzubrechen“, wie er es benennt.

Ein weiteres Zitat über die allgemein anerkannten Grundbedingungen rustikaler Männer-Welten – sicher nicht nur im Profi-Fußball:

„Der Männerprofi-Fußball ist eine raue Welt. Männer laufen ein in riesige Arenen, ähnlich den Gladiatoren. Es geht um Ruhm, Pokale, um Muskeln und um Millionen. Wer hier Karriere machen will, darf keine Schwäche zeigen“. (aus: Zeit-online, 30. Januar 2024)

Übersetzt heißt das: wer sich psychologische oder gar psychotherapeutische Unterstützung holt, verschweigt das lieber - allein schon augenfällig in der verwendeten Begrifflichkeit mental. Geistige Belastungen oder seelische Instabilität, wie z.B. Anzeichen von Burnout oder depressiver Phasen sind Ausdruck von (männlichem) Versagen, Schwach-sein und somit mehr oder weniger tabu.

Der Beschreibung der Toxischer Männlichkeit (auch „giftiger Männlichkeit") ist seit einigen Jahrzehnten ein häufig verwendeter Begriff. Sie umschreibt ein männliches Rollenbild, das Aggression zum Ausdruck der eigenen Männlichkeit nahelegt und darüber hinaus häufig gekoppelt ist mit einer abwertenden Haltung von allem Weiblichen.

Das Ausmaß der Schädlichkeit ist naturgemäß sehr individuell und sicher niemals exakt zu lokalisieren. Dennoch wird niemand ernsthaft bestreiten können, dass derart spezifische Auswüchse, selbst in geringer Dosis, unzweifelhaft eine schädliche Wirkung nach außen / nach innen zeigen können.

Bezüglich der Toxizität ein kleiner Ausflug in die Medizin: Pfefferminze bzw. deren Extrakt Menthol hat unumstritten gesundheitsfördernde, schmerzlindernde und antibakterielle Wirkung – sofern in sehr geringer Dosis eingenommen. In großen Mengen jedoch kann es auf den menschlichen Körper auch toxische, u.U. sogar tödliche Wirkung zeigen.

Was heißt das für unser Thema?

Es gibt inzwischen viele Publikationen über die Hochsensibilität von Erwachsenen im Allgemeinen sowie hochsensibler Kinder im Besonderen. Allerdings fehlt bisher leider auch der geschlechtsspezifische Blick auf das Erleben von Jungen und Männern, auf die vielen Vorzüge und die sehr herausfordernden Handicaps dieser stark ausgeprägten Sensitivität, die einhergeht mit erhöhter Reiz-Wahrnehmung und stark belastendem Stressempfinden.

Dass sich das komplexe Thema tagtäglich auf jedem Schulhof, in jedem Kindergarten, in jedem Kinderzimmer in seiner ganzen Vielfalt und Brisanz präsentiert, kann heute niemand mehr ernsthaft bestreiten.


Zwei Beispiele aus meiner Coaching-Praxis von Eltern mit hochsensiblen Kindern:


Sind die alten männlichen Geschlechter- und Rollenbilder inzwischen überholt oder immer noch aktuell?

Wie sehen denn nun die Grundvoraussetzungen und Vorgaben einer Männlichkeit aus, die sich u.a. entweder in toxischen oder mit gesunden Nebenwirkungen zeigen. Schauen wir uns das Bild der Giftigkeit von Männlichkeit einmal genauer an, dann können wir mit Sicherheit sagen, dass bestimmte Rollenklischees und Erwartungshaltungen, was und wie Männlichkeit sein soll, destruktive und ungesunde Auswirkungen mit sich bringen - immer noch und immer wieder.

Beispielhafte Leitbilder / Leitmotive einer toxischen Männlichkeit (d.h. mit einer destruktiven Wirksubstanz)


Diese Sprüche und Botschaften kennt schon jedes Kind im Kleinkindalter:

Nicht von ungefähr mit den überall sichtbaren Folgen. Hierzu nur beispielhaft einige bedenkenswerte Phänomene: 

  1. Jungen sind im Vergleich zu Mädchen häufiger krank, etwa doppelt so häufig betroffen von Schul-/ Ausbildungsproblemen, von Entwicklungsstörungen.
  2. Bei Jungen wird viermal häufiger ärztlicherseits ADS, ADHS und Autismus diagnostiziert.
  3. Männer und Jungen sind sowohl als Täter wie auch als Opfer von (überwiegend männlicher) Gewalt deutlich überrepräsentiert.
  4. Als Beleg für den Gipfel innerer Vergiftung: die männliche Suizidrate ist vier Mal so hoch wie weibliche.


Wie zeigt sich aber nun eine gesunde Männlichkeit?

Hier einige Leitbilder / Leitmotive einer gesunden Männlichkeit (d.h. mit einer förderlichen Wirksubstanz)

Folgende persönlichen Wesensmerkmale, Eigenschaften und Kompetenzen wären hier am Wachsen und Wirken:


All diese Fähigkeiten werden nicht zufällig auch mit der Resilienz in Verbindung gebracht, womit die individuellen und sozialen Widerstandskräfte beschrieben werden, bezogen auf kurz-/längerfristige Belastung und Stress. Wir könnten hier auch von einem positiven Gegenmittel oder Impfstoff sprechen.


Die Folgen und Auswirkungen einer derart praktizierten Männlichkeit kann sich jeder selbst ausmalen. Ich denke, es lohnt sich auf jeden Fall diese Merkmale aktiv zu fördern, und zwar auf allen Ebenen des menschlichen Miteinanders: in der Familie von klein auf, im Vorschulbereich, der Schule, im Beruf, im Alltag.

Es geht um die Suche nach Merkmalen und Eigenschaften, die eine vitale und überzeugende Strahlkraft besitzen. Männlich sein wird meist verbunden mit Körperstärke, Widerstandskraft, Wehrhaftigkeit und Robustheit. Ebenso mit einer überzeugenden Selbstsicherheit, Entschlossenheit und Tatkraft. Aber warum sollten hingegen Empathie, Zögerlichkeit, Feinfühligkeit, Zweifel und Schwäche nicht ebenso attraktiv sein können? Zumal diese vielfältigen Erlebensvarianten unbestreitbar täglicher Bestandteil von jedem menschlichen Lebewesen sind.

Es gibt einfach keinen Sinn, das Mannsein auf die scheinbar harte Schale zu reduzieren („außen hart und innen weich", Herbert Groenemeyer in seinem Lied "Männer"). Vielmehr ist es für alle ein großer Gewinn - nicht zuletzt für jedes männliche Wesen selbst, wenn er neben all den anderen Qualitäten auch seine behutsamen und schwachen Seiten akzeptieren und leben kann.


Was sind die erstrebenswerten Ziele eines jeden Jungen, eines jeden Mannes?

Sichtbarer Erfolg im Außen, spürbare Zufriedenheit im Beruf, Einkommen, sozialen Status, Familie. Diese Antriebsfedern sind tief verankert und ja auch völlig legitim und werden durch väterliche/männliche Vor- und Leitbilder transportiert und gestärkt. Auf dem Weg hin zu diesen Zielen stören allerdings solche Momente voller Unsicherheit, Selbstzweifel, oder der Scham über die eigenen Unzulänglichkeiten und Fehler, Angst vor dem Scheitern. Vor allem weil solche Empfindungen scheinbar nicht kompatibel sind mit dem geforderten Bild des allseits starken Mannes. Entsteht jedoch eine Schräglage zwischen dem männlichen Selbsterleben, den inneren wie äußeren Ansprüchen, geraten viele Jungen und Männer in Schwierigkeiten, weil sie nicht ausreichend gelernt haben, die andere Seite der Medaille in ihrem Leben zu integrieren, zu nutzen und zu leben.


Eine attraktive Männlichkeit akzeptiert und verbindet insbesondere auch Widersprüche und Gegensätze: Innen und Außen; Stärke und Schwäche; Tatkraft und Zögern /Zweifel; aktives Handeln mit Passivität/Zurückhaltung. Hierdurch erhalten die Jungen und Männer u.a. auch die Möglichkeit, sowohl schwach und verletzlich zu sein, Gefühle zeigen zu dürfen und ebenso ihre vitale Lebenskraft und Stärke ausdrücken zu können. Es geht darum, die unvermeidbaren Ambivalenzen / Widersprüchlichkeiten anzunehmen und das eigene männliche Selbstbewusstsein zu stärken, ohne sich selbst zu überhöhen oder andere abwerten, bekämpfen zu müssen. Robustheit und Tatkraft sind ebenso willkommen wie Sanftheit und Feinfühligkeit.

Eine derart gesunde, sensitive Männlichkeit würde dann vielleicht in der Essenz bedeuten: Es geht um Jungen und Männer mit einem vitalen, kräftigen Körper, die nicht nur rational, sondern auch emotional klug agieren und reagieren, die zudem sozial eingebunden sind in friedliche, freundliche Netzwerke.


Im Februar 2024


Christoph Weinmann,

Diplom-Sozialarbeiter, Kindertherapeut,

seit 2018 selbständig als Coach bei Hochsensibilität

www.grashalm-hochsensibel.de 

Autor von:

"spürbar anders!? Potenzial und Widersprüche hochsensibler Jungen und Männer", Novum 2022



Veröffentlicht: 11.3.2024