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Sara

Sara war eine wichtige Lehrerin in meinem Leben. Sie war behindert (Down Syndrom) und wurde nur gerade 16 Jahre alt. Eigentlich sollte ich sie etwas lehren, - nämlich singen und musizieren. Doch dann spürte ich, dass die Rollen oft vertauscht waren und sie mir eine direkte, einfache Ehrlichkeit vorlebte, eine Art der Menschenliebe ohne Wenn und Aber...
Ich möchte Sara hier ein kleines Denkmal setzen mit den folgenden Worten in Schweizer Mundart - und mit einem Erinnerungslied für Sara (siehe zuunterst).

SARA - a dim Grab schtand ich

M. Schauwecker, 1993/94

Sara,
zum letschtemal gsehn ich dis schtille Gsicht
da une i de Ärde, unter de Blueme,
i dem grausame Holzsarg.
D'Glogge lüüted.
Du wärisch schtolz, dass d'Glogge wäge dir lüüted,
dass so vill Lüüt wäge dir i d'Chile cho sind.
Ich ghöre dis Lache.
Ganz fiini Rägetropfe chömed vom Himmel obenabe,
wie-n-en Schleier us Millione vo Träne.
Sara, jetzt decked's dich dänn mit Ärde zue.
Und ich gsehn dich nie meh.

Sara,
mini Bei und mini Händ zittered.
Ich gsehn zum erschtemal nach em Abschied dis Grab wieder.
Mit all dene Blueme.
Und de Holzchrüüzli vo de Chind us diner Klass.
Dis Mami sitzt uf em Schteibänkli.
Im bruune Mantel, wie-n-en Teil vo de Erde,
ganz versunke, mit eme weiche, ufglöste Gsicht.
Plötzlich gschpüüri i mim Schmärz de Schmärz vo all dene Müetere,
wo ihri Chind händ müese härgäh.
Bettina, Susi, Doriano, Stefan, Judit, Frederik, Andreas...
Martin, Dominic.
Und Sara.
Sara Bolliger
1977 - 1993

Sara,
a dim Grab schtand ich.
Es isch chalt und grau.
De Wald im Hintergrund schiint läär und ohni Läbe,
alles isch schwarz-wiiss.
De Horizont verschwindet im Näbel.
Es schmöckt nach Wienacht und nach Winterferie.
Ich bin durchsichtig, wie-n-es Stück iisigi Luft.
Ich wehre mich gäge die Grausamkeit,
finde kein Troscht.
Und wirde immer einsamer i mim Heiweh.

Sara,
a dim Grab sitz ich,
und d'Sunne schiint so hell und fröhlich
als wär Summer.
Es isch Dezämber.
S'Gras lüüchtet hellgrüen,
de Himmel isch tüüfblau,
und es blast en Wind, wo mich schüttlet
und wo alles durenand wirblet.
Aber d'Cherze brännt wiiter uf dim Grab.
Ich lueg i'd Sunne und weiss plötzlich nüme,
öb du schtille tüüf une i de Ärde liisch
oder sälber so hell lüüchtisch am Himmel.

Sara,
scho wieder isch de Friedhofgärtner da.
Was mues dä uusgrächnet immer bi dim Grab sii...
Er rächet d'Härbschtbletter furt.
Us sim Auto tönt de Radio.
Er schtreut Pflanzegift und pfiift dezue.
S'Läbe gaht eifach wiiter.
Als wär nüüt gscheh.
Und ich han doch s'Gfüel, d'Ziit müessti schtahbliibe,
well du nüme da bisch.

Sara,
es isch scho dunkel.
Ich han Angscht im Dunkle uf em Friedhof.
All die Seele, wo da umegeischtered...
Aber d'Sehnsucht zu dir z'cho isch grösser.
Zwei Cherze bränned scho uf dim Grab,
en flackernde Troscht i de Dunkelheit.
Ich zünde-n-e dritti a.
Vor luuter Härzchlopfe gsehni de Schtärnehimmel nüme.
Rasch gangi zrugg zum Auto.

Sara,
es isch scho dunkel.
Aber ich han kei Angscht meh im Dunkle uf em Friedhof.
Ich gschpüür e tüüfi, dunkli Rue
und bin wie-n-en Teil devo.
D'Dunkelheit wird immer heller.
Ich gsehn de wiiti, grossi Schtärnehimmel über mir,
und du bisch wie-n-en Teil devo.
Da isch e Verbindig,
ganz tüüf abe und ganz hööch ufe,
wo mir Troscht git.

Sara,
a dim Grab schtand ich.
Ich bin trurig.
Es rägnet vom Himmel und vo mim Gsicht,
s'isch alles eis,
ich verschmilze mit em Räge
zu eim einzige Wasserfall.
Ich vermisse dich.

Sara,
mängmal isch es ganz schtill.
Und es tuet guet, die Schtilli und die frisch Luft iizschnuufe.
Mängmal ghöri nume Chueglogge oder s'Zwitschere vo de Vögel.
Mängmal isch es luut.
Dänn tönt d'Motorsägi vom Albis obenabe,
oder me ghört s'Glas in Glascontainer tschädere.
Oder de Friedhofgärtner chunnt uf sim Traktor z'fahre.
Oder es Grüppli Schüeler schpaziert schwätzend a de Friedhofmuur vebii.
Oder vo wiitem ghört me Hundegebäll.
Oder d'Chileglogge lüüted ganz luut und fiirlich,
und ich singe dir es Schtändli dezue.
Mängmal aber ghöri dini Schtimm,
dini lieb, fröhlich Schtimm.
Alti Sätz, alti Erinnerige.
Mängmal rüefsch min Name.
Mängmal lachsch mich uus.
Und mängmal ghöri tüüf i mir ine dini Weisheit,
wo jetzt befreit isch
und wiiterläbt.

Sara,
hüt bini unzfride a dis Grab cho,
es isch mer alles düschter und sinnlos vorcho.
Au de Himmel isch grau und düschter gsii.
Ich bin eifach da gschtande und han gwartet.
Nach eme Wiili isch alles weicher worde und wärmer.
Und i dem Augeblick, wo-n-i uufgschnuufet han
und wieder JA han chöne säge,
isch d'Sunne hinter de Wulche fürecho
und hät genau uf dis Chrüüz gschune.

Sara,
ich bin grad am nuusche,
putze s'Duftliechtli,
zünd e nöii Cherze-n-aa,
tröpfle Weihrauch is Wasser,
ruume-n-es paar bruuni Bletter wäg.
Dänn luegi ganz versunke-n-alles aa:
d'Wienachtschugle, s'Ängeli, d'Blueme, die fröhlich Sunne, d'Schtei...
Und ich gschpüüre die Liebi, wo da isch.

Sara,
es isch de letschti Tag im Jahr 1993,
und no nie han ich's eso düütlich gschpürt wie hüt:
dis Grab isch en schtarche Ort worde, en Ort volle Chraft.
Ich weiss zwar, Sara,
din Körper, wo du so liecht und liislig losglah häsch,
liit da une i de Ärde,
es furchtbars, unbegriiflichs, grausams Gfüel.
Aber immer klarer gschpüür ich, dass me de gröschti Teil vo Dir
nöd hät chöne i d'Ärde versänke.
Da isch ganz vill Liecht und Liebi
und Friede und Wärmi,
da flüüsst öppis, wo uflöse und heile chan.
Und i all dem ine gschpüür ich
mini Fründin Sara.

Sara,
d'Blueme sind tüüfgfrore,
de Schnee deckt fascht alles zu,
mini Finger gfrüüred.
Sara,
es schtürmt und windet,
ich mues mis Cherzli immer wieder nöi aazünde,
em Martin sis Windredli trüllt wie verruckt.
Sara,
es rägnet quär über de Friedhof,
und immer wieder zischt en Tropfe
uf die heisse Grabcherze, wo wiiter bränned.
Sara,
d'Sunne schiint,
sie färbt d'Ränder vo de Wulche rosarot.
Es schmöckt nach Früelig und nach Weihrauch.
Sara! Sara!
Sara!

Sara,
ich schtahn a dim Grab und gseh nöd wiit hüt.
Ich bin im Kampf mit mir und de Wält.
D'Gedanke gönd durenand und mached mich blind.
Ich luege schtumpf uf's Chrüüz,
wo din Name druf schtaht.
Dänn gang ich.
Und ghöre plötzlich i mir e Schtimm:
Nöd immer kämpfe, nöd immer wehre,
min eigne Wille isch nöd wichtig, -
"Dein Wille geschehe - auf Erden wie im Himmel" -
Ich chume zrugg, de Kampf gaht z'Änd,
und mini Träne flüssed uf dis Grab.
Sara, du häsch dich nie gwehrt
gäg de Wille, wo über dir gschtande-n-isch.
Du häsch es besser gwüsst als ich.
Danke, dass ich immer no chan lärne vo dir.

Sara,
a dim Grab bruuch ich kei Chile,
kei Konfession, kei Glaubenssätz, kein Pfarrer.
Aber ich chan wieder bäte,
und ich gschpüüre-n-i dem Tämpel ohni Muure,
was Liebi isch.


Es gibt auch ein Lied über Sara
von Marianne Schauwecker: Für das Lied hier klicken: "SARA" (youtube)